Die Gliederung des alemannischen Sprachraums
von Dr. Renate Schrambke
I. Einleitung
Die sprachwissenschaftliche Erforschung der Dialekte setzte in Deutschland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein. Während sie zuvor nur im Vergleich zur geschriebenen Sprache betrachtet wurden, sah man die Dialekte nun als Ergebnis einer organischen sprachgeschichtlichen Entwicklung. Damit wurde die Dialektologie zu einem eigenen Forschungsgebiet, wobei zunächst der Aspekt der regionalen Verbreitung der Dialekte in den Vordergrund rückte: Man wollte wissen, wo man wie spricht, und wo die Grenzen zwischen den einzelnen Dialekträumen verlaufen.
Dies herauszufinden war das Forschungsziel des “Sprachatlas des Deutschen Reiches” (1889/90). Die Erhebungen zu diesem außergewöhnlichen Projekt begannen im Jahre 1876 und wurden in den folgenden Jahren sukzessive auf das ganze deutsche Sprachgebiet ausgedehnt (vgl. dazu den Beitrag von Lars Fischer in "Alemannisch dunkt üs guet", Heft I/II (2001), S. 30f.).
Die Dialekträume, die sich aus dem Material des "Sprachatlas des Deutschen Reiches" ergeben, sind durch die Zweite oder hochdeutsche Lautverschiebung entstanden, d.h. durch Veränderungen in der Aussprache der Konsonanten p, t, k. Diese traten in unterschiedlicher Weise ein, abhängig davon, ob diese Konsonanten im Anlaut, nach Konsonant oder nach Vokal gesprochen wurden.
Wie der folgende Vergleich der Aussprache der Wörter ‘Pfund, schlafen, Zeit, Wasser, Kind, machen’ zeigt, ist die Lautverschiebung nur im Südalemannischen vollständig durchgeführt. Im nördlichen Oberdeutschen sowie im Mitteldeutschen gilt sie nur teilweise, das Niederdeutsche wurde von der Lautverschiebung nicht erfasst:
Pund, schloffen, Zeit, Waass er, Kend, maachen;
Dies herauszufinden war das Forschungsziel des “Sprachatlas des Deutschen Reiches” (1889/90). Die Erhebungen zu diesem außergewöhnlichen Projekt begannen im Jahre 1876 und wurden in den folgenden Jahren sukzessive auf das ganze deutsche Sprachgebiet ausgedehnt (vgl. dazu den Beitrag von Lars Fischer in "Alemannisch dunkt üs guet", Heft I/II (2001), S. 30f.).
Die Dialekträume, die sich aus dem Material des "Sprachatlas des Deutschen Reiches" ergeben, sind durch die Zweite oder hochdeutsche Lautverschiebung entstanden, d.h. durch Veränderungen in der Aussprache der Konsonanten p, t, k. Diese traten in unterschiedlicher Weise ein, abhängig davon, ob diese Konsonanten im Anlaut, nach Konsonant oder nach Vokal gesprochen wurden.
Wie der folgende Vergleich der Aussprache der Wörter ‘Pfund, schlafen, Zeit, Wasser, Kind, machen’ zeigt, ist die Lautverschiebung nur im Südalemannischen vollständig durchgeführt. Im nördlichen Oberdeutschen sowie im Mitteldeutschen gilt sie nur teilweise, das Niederdeutsche wurde von der Lautverschiebung nicht erfasst:
- südalemannische Aussprache, z. B. in Lörrach:
- nordoberdeutsche Aussprache, z. B. in Freiburg:
- mitteldeutsche Aussprache, z.B. in Trier:
Pund, schloffen, Zeit, Waass er, Kend, maachen;
- niederdeutsche Aussprache, z.B. in Hamburg:
II. Gliederung des Oberdeutschen
Das Oberdeutsche umfaßt drei Dialekträume: das Fränkische, das Bairische und das Alemannische. Zwischen diesen Dialekten bestehen so große Unterschiede, daß ein Berner Dialektsprecher einen Nürnberger oder einen Starnberger nur mit Mühe verstehen wird, es sei denn, man weicht auf eine andere Sprachebene aus, die man “Verkehrsdialekt”, “Regionaldialekt” oder “Umgangssprache” nennt.
Eine exakte Trennlinie zu finden, anhand derer ein Dialektraum gegen einen benachbarten abgegrenzt werden kann, ist für den Sprachforscher nicht immer einfach, trifft er doch auf das Problem, daß sich in sprachlichen Grenzgebieten in der Regel eine Übergangsmundart herausbildet, in der sich Eigenheiten von beiden Dialekten vermischen.
Der alemannische Sprachraum wurde von zahlreichen namhaften Sprachwissenschaftlern erforscht; es gibt daher auch mehrere Gliederungen des Gesamtalemannischen, für die aber weitgehend identische Abgrenzungsmerkmale herangezogen wurden.
Im folgenden werden die wichtigsten laut- und wortgeographischen Dialektmerkmale, die zur Herausbildung der Dialekträume und Dialektlandschaften geführt haben, gegenübergestellt (Gegensätze, die die Grammatik betreffen, werden zusammen mit den lautgeographischen genannt):
Eine exakte Trennlinie zu finden, anhand derer ein Dialektraum gegen einen benachbarten abgegrenzt werden kann, ist für den Sprachforscher nicht immer einfach, trifft er doch auf das Problem, daß sich in sprachlichen Grenzgebieten in der Regel eine Übergangsmundart herausbildet, in der sich Eigenheiten von beiden Dialekten vermischen.
Der alemannische Sprachraum wurde von zahlreichen namhaften Sprachwissenschaftlern erforscht; es gibt daher auch mehrere Gliederungen des Gesamtalemannischen, für die aber weitgehend identische Abgrenzungsmerkmale herangezogen wurden.
Im folgenden werden die wichtigsten laut- und wortgeographischen Dialektmerkmale, die zur Herausbildung der Dialekträume und Dialektlandschaften geführt haben, gegenübergestellt (Gegensätze, die die Grammatik betreffen, werden zusammen mit den lautgeographischen genannt):
1. Alemannisch-fränkische Gegensätze
Alemannisch | Fränkisch |
Lautgrenzen: | |
‘lieb, Brüder, Bruder’: | |
lieb, Brüeder/Brieder, Brueder | liib, Briider, Bruuder |
‘Kirche, Wurst’: | |
Kirch, Wurschd | Kärch, Worschd |
‘gesagt’: | |
g’said | g’saagd, g’saachd |
‘laufen, kaufen’: | |
laufe, kaufe | laafe/loofe, kaafe/koofe |
Bei den folgenden Beispielen treffen fränkische Dialekteigenheiten im westlichen Grenzabschnitt, der sog. Lauter-Murg-Schranke, auf oberrheinalemannische und im östlichen Abschnitt auf schwäbische:
Alemannisch | Fränkisch |
'Schnee, böse, groß’: | |
Schnai, bais, graus | Schnee, bees, groos |
‘Finger, Hund’: | |
Fenger, Hond | Finger, Hund |
Wortgrenzen: | |
'Kater': | |
Rolle, Rälling | Kater, Karer |
‘wiederkäuen’: | |
däuen | iddere, illeriche |
‘Maulwurf’: | |
Maulwerfer, Scher | Mauerwolf, Wühler |
‘Öhmd’: | |
Öhmd | Grummet |
‘Täuberich’: | |
Kauter | Tauber |
Anmerkung: Die wortgeographischen Beispiele werden in einer typisierten, an die Hochsprache angelehnten Form wiedergegeben; so werden z.B. die mundartlichen Lautungen Eemd, Oomd, Uumd unter ‘Öhmd’, Kutter, Kitter, Kütter unter ‘Kauter’, daie, deie, daue unter ‘däuen’ zusammengefaßt.
2. Schwäbisch-bairische Gegensätze
Diese Sprachunterschiede, die die sog. Lech-Grenze bilden, verlaufen dem Lech entlang bis Augsburg oder Landsberg, in einigen Fällen auch bis Schongau, und von dort ost- bzw. westlechisch:
Alemannisch | Bairisch |
Lautgrenzen: | |
‘Rad, Tag, sagen’: | |
Raad, Daag, saage | Rood, Doog, song |
‘Hirn, Horn, Kern, Turm’: | |
Hiire, Hoare, Keare, Duure | Hian, Hoan, Kean, Duam |
‘Mädchen, Wägelein, Käse’: | |
Määdle, Wäägele, Kääs | Maadl, Waagerl, Kaas |
Wortgrenzen: | |
‘Kamm’: | |
Strähl | Kampl, Kamml |
‘Kleider’: | |
Hääß | G’wand |
‘rote Rüben’: | |
Randig, Rande | Ranne, Rahne |
‘heiser’: | |
riech | keuchet |
‘Kinn’: | |
Kinn | Kinnbacken |
‘Speichel rinnen lassen bei Kindern’: | |
trülen | trenzen/tremsen |
‘breitbeiniges Sitzen von Mädchen’: | |
eine Grattel machen | eine Greitel machen |
‘Taufpate’: | |
Dotlein | Döte |
‘Witwer’: | |
Wittmer | Wittiber |
‘Rosenkranz’: | |
Pater | Beter |
‘Kirchweih’: | |
Kirchweih | Kirchtag |
III. Die Binnengliederung des Alemannischen
Der alemannische Sprachraum wurde im nördlichen Teil geprägt vom Einfluß fränkischer Spracheigenheiten, die die alemannischen Dialektformen in ein südlicheres Gebiet zurückdrängten. Begünstigt wurde dieser Prozeß durch die natürlichen Gegebenheiten dieses Raumes: Die Oberrheinebene und das ebenfalls leicht zugängliche Gebiet links des Schwarzwaldes ermöglichten den Verkehr vom Norden in die Schweiz und nach Italien, und mit den durchreisenden fränkischen Händlern wurde fränkisches Sprachgut in den alemannischen Raum gebracht. Auch in der Schweiz haben die sprachlichen Unterschiede ihren natürlichen Rahmen im geographischen Gegensatz zwischen dem flacheren nördlichen Mittelland, dem bergigeren Voralpenland und dem Hochalpengebiet: Während in der Nordschweiz, in kleinerem Umfang auch in der Innerschweiz heute noch fränkisches Sprachgut nachzuweisen ist, verhinderte die Unzugänglichkeit insbesondere der hochalpinen Gebiete den sprachlichen Einfluß aus dem Norden. Die Folge hiervon ist der ausgeprägte Sprachkonservatismus vor allem im südlichen Teil der Schweiz, dem Wallis.
1. Nord-Süd-Gegensätze innerhalb des Alemannischen
Diese beiden Faktoren, der fränkisch-alemannische Überlagerungsprozeß sowie die konservative Sprachhaltung der südschweizerischen Gebiete, haben zu der heutigen Nord -Süd-Staffelung des alemannischen Dialektraumes geführt. Die wichtigsten lautlichen Veränderungen, die, von Norden kommend, den größeren Teil des Oberrheinalemannischen und des Schwäbischen erfaßt haben, waren:
a) Die “neuhochdeutsche Vokaldehnung”:
Diese bereits im 12. Jahrhundert im Niederdeutschen entstandene und im Hochmittelalter in das alemannische Sprachgebiet vorgerückte Lautveränderung betraf die Dehnung in Silben, die auf Vokal enden, wie sa-gen, le-ben, Bo-den. Die ursprüngliche Kurzvokalaussprache (saggen, lebben, Bodden) ist aber im südlichen Teil des Alemannischen heute noch bewahrt.
b) Die “neuhochdeutsche Diphthongierung”:
Ebenfalls im 12. Jahrhundert setzte die Diphthongierung der langen Hochzungenvokale î, iu, û ein, d.h., daß aus diesen Vokalen Doppellaute entstanden, die aus zwei Vokalen gebildet wurden. Von Kärnten kommend, verbreitete sich die Diphthongaussprache im gesamten Mitteldeutschen, im fränkischen Teil des Oberdeutschen und im Bairischen. Im alemannischen Sprachraum hat diese Neuerung nur das Schwäbische erfaßt, allerdings in abgeschwächter Form: Während im Fränkischen und Bairischen z.B. in ‘Weib, Häuser, Haus’ heute offene Diphthonge gesprochen werden (Waib, Haiser, Haus), gilt im Schwäbischen geschlossenere Aussprache (Weib, Heiser, Hous), die der englischen in den Wörtern way, hay, low (‘Weg, Heu, niedrig’) ähnelt.
c) Die “Entrundung”:
Mit diesem Terminus wird die Entwicklung der mit Lippenrundung gesprochenen Vokale ü, ö, öu, üe zu den ungerundeten Vokalen i, e, ei/ai, ie bezeichnet; die Aussprache von Wörtern wie ‘Hütte, böse, Böden, Freude, müde’ veränderte sich dadurch zu Hidd, bees, Beede, Freid/Fraid, mied. Dieser erst in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts nachgewiesene Lautwandel hat den größten Teil des deutschen Sprachraumes erfaßt, darunter auch den nördlichen Teil des Alemannischen, d.h. das Oberrheinalemannische, Schwäbische und Bodenseealemannische; im Südalemannischen blieben die gerundeten Vokale erhalten.
d) Die “binnendeutsche Konsonantenschwächung”:
Diese letzte große Lautveränderung hatte zur Folge, daß die im Alemannischen früher streng geschiedenen harten und weichen Konsonanten (Fortes und Lenes) heute im nördlichen Teil des Oberrheinalemannischen und Schwäbischen weich gesprochen werden, so daß dort zwischen b und pp in ‘Waben’ und ‘Wappen’, zwischen t und d in ‘waten’ und ‘Waden’, zwischen ck und g in ‘wecken’ und ‘wegen’, zwischen ss und s in ‘hassen’ und ‘Hasen’ und zwischen ff und f in ‘offen’ und ‘Ofen’ kein lautlicher Unterschied mehr besteht. Im Süd- und Höchstalemannischen gilt hingegen noch der alte Gegensatz zwischen der Hart- und Weichlautaussprache.
e) Die \"k-Verschiebung\":
Von besonderer Bedeutung für die Gliederung des alemannischen Sprachraumes ist die Entwicklung des ursprünglichen Verschlußlautes k zum Reibelaut ch in Wörtern wie ‘Kind, kalt, melken’. Die am weitesten nach Norden reichende ch-Lautung ist im Wort 'melken' nachgewiesen. Nur wenig südlicher verläuft die k-Verschiebungslinie im Anlaut (Kind/Chind 'Kind', kalt/chalt 'kalt'), die in allen Gliederungen des Gesamtalemannischen als Abgrenzungsmerkmal verwendet wird zwischen dem nördlichen, fränkisch beeinflußten Teil und dem südlichen, konservativeren Teil (vgl. die Übersichtskarte).
Die k-Verschiebung ist im Hochalemannischen am weitesten durchgeführt, denn hier gilt sie auch in Wörtern wie 'trinken, Bank': das k wurde zum Reibelaut ch, danach schwand der dem ch vorausgehende Nasal n und der Vokal wurde gedehnt bzw. anschließend diphthongiert. Die Entwicklung führte demnach in 'trinken' von trinkche über trinche zu triiche und schließlich zu treiche.
In diesem Zusammenhang ist auch die “ich/ach-Laut”-Grenze zu erwähnen, die durch die unterschiedlichen Realisierungen des ch-Lautes entstanden ist. Nördlich dieser Linie gilt die standarddeutsche Aussprache, d.h., daß in ‘ich, dich, echt’ das ch am vorderen, in ‘ach, Dach, Loch’ am hinteren Gaumen artikuliert wird. Südlich einer Linie, die von Wyhl am Rhein nach Denzlingen, Freiburg und von dort, dem Dreisamtal entlang, in südöstlicher Richtung zum Bodensee verläuft, wird das ch auch in ‘ich, dich, echt’ am hinteren Gaumen gebildet, folglich wie in ‘ach, Dach, Loch’.
Die Übernahme von Neuerungen aus dem nördlichen Sprachgebiet hat zu einer Gliederung des Gesamtalemannischen geführt, die durch zahlreiche nord-südliche Gegensätze geprägt ist. Die wichtigsten inneralemannischen Unterschiede in Lautungen, Grammatik und im Wortschatz werden im folgenden dargestellt.
a) Die “neuhochdeutsche Vokaldehnung”:
Diese bereits im 12. Jahrhundert im Niederdeutschen entstandene und im Hochmittelalter in das alemannische Sprachgebiet vorgerückte Lautveränderung betraf die Dehnung in Silben, die auf Vokal enden, wie sa-gen, le-ben, Bo-den. Die ursprüngliche Kurzvokalaussprache (saggen, lebben, Bodden) ist aber im südlichen Teil des Alemannischen heute noch bewahrt.
b) Die “neuhochdeutsche Diphthongierung”:
Ebenfalls im 12. Jahrhundert setzte die Diphthongierung der langen Hochzungenvokale î, iu, û ein, d.h., daß aus diesen Vokalen Doppellaute entstanden, die aus zwei Vokalen gebildet wurden. Von Kärnten kommend, verbreitete sich die Diphthongaussprache im gesamten Mitteldeutschen, im fränkischen Teil des Oberdeutschen und im Bairischen. Im alemannischen Sprachraum hat diese Neuerung nur das Schwäbische erfaßt, allerdings in abgeschwächter Form: Während im Fränkischen und Bairischen z.B. in ‘Weib, Häuser, Haus’ heute offene Diphthonge gesprochen werden (Waib, Haiser, Haus), gilt im Schwäbischen geschlossenere Aussprache (Weib, Heiser, Hous), die der englischen in den Wörtern way, hay, low (‘Weg, Heu, niedrig’) ähnelt.
c) Die “Entrundung”:
Mit diesem Terminus wird die Entwicklung der mit Lippenrundung gesprochenen Vokale ü, ö, öu, üe zu den ungerundeten Vokalen i, e, ei/ai, ie bezeichnet; die Aussprache von Wörtern wie ‘Hütte, böse, Böden, Freude, müde’ veränderte sich dadurch zu Hidd, bees, Beede, Freid/Fraid, mied. Dieser erst in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts nachgewiesene Lautwandel hat den größten Teil des deutschen Sprachraumes erfaßt, darunter auch den nördlichen Teil des Alemannischen, d.h. das Oberrheinalemannische, Schwäbische und Bodenseealemannische; im Südalemannischen blieben die gerundeten Vokale erhalten.
d) Die “binnendeutsche Konsonantenschwächung”:
Diese letzte große Lautveränderung hatte zur Folge, daß die im Alemannischen früher streng geschiedenen harten und weichen Konsonanten (Fortes und Lenes) heute im nördlichen Teil des Oberrheinalemannischen und Schwäbischen weich gesprochen werden, so daß dort zwischen b und pp in ‘Waben’ und ‘Wappen’, zwischen t und d in ‘waten’ und ‘Waden’, zwischen ck und g in ‘wecken’ und ‘wegen’, zwischen ss und s in ‘hassen’ und ‘Hasen’ und zwischen ff und f in ‘offen’ und ‘Ofen’ kein lautlicher Unterschied mehr besteht. Im Süd- und Höchstalemannischen gilt hingegen noch der alte Gegensatz zwischen der Hart- und Weichlautaussprache.
e) Die \"k-Verschiebung\":
Von besonderer Bedeutung für die Gliederung des alemannischen Sprachraumes ist die Entwicklung des ursprünglichen Verschlußlautes k zum Reibelaut ch in Wörtern wie ‘Kind, kalt, melken’. Die am weitesten nach Norden reichende ch-Lautung ist im Wort 'melken' nachgewiesen. Nur wenig südlicher verläuft die k-Verschiebungslinie im Anlaut (Kind/Chind 'Kind', kalt/chalt 'kalt'), die in allen Gliederungen des Gesamtalemannischen als Abgrenzungsmerkmal verwendet wird zwischen dem nördlichen, fränkisch beeinflußten Teil und dem südlichen, konservativeren Teil (vgl. die Übersichtskarte).
Die k-Verschiebung ist im Hochalemannischen am weitesten durchgeführt, denn hier gilt sie auch in Wörtern wie 'trinken, Bank': das k wurde zum Reibelaut ch, danach schwand der dem ch vorausgehende Nasal n und der Vokal wurde gedehnt bzw. anschließend diphthongiert. Die Entwicklung führte demnach in 'trinken' von trinkche über trinche zu triiche und schließlich zu treiche.
In diesem Zusammenhang ist auch die “ich/ach-Laut”-Grenze zu erwähnen, die durch die unterschiedlichen Realisierungen des ch-Lautes entstanden ist. Nördlich dieser Linie gilt die standarddeutsche Aussprache, d.h., daß in ‘ich, dich, echt’ das ch am vorderen, in ‘ach, Dach, Loch’ am hinteren Gaumen artikuliert wird. Südlich einer Linie, die von Wyhl am Rhein nach Denzlingen, Freiburg und von dort, dem Dreisamtal entlang, in südöstlicher Richtung zum Bodensee verläuft, wird das ch auch in ‘ich, dich, echt’ am hinteren Gaumen gebildet, folglich wie in ‘ach, Dach, Loch’.
Die Übernahme von Neuerungen aus dem nördlichen Sprachgebiet hat zu einer Gliederung des Gesamtalemannischen geführt, die durch zahlreiche nord-südliche Gegensätze geprägt ist. Die wichtigsten inneralemannischen Unterschiede in Lautungen, Grammatik und im Wortschatz werden im folgenden dargestellt.
Oberrheinalemannisch–südalemannische Gegensätze
Das Sprachgrenzenbündel, das das Oberrheinische vom Südalemannischen trennt, zieht vom elsässischen Sundgau leicht bogenförmig hinüber zum Bodensee und wurde, nach diesem Verlauf, vom Freiburger Germanisten Friedrich Maurer als “Sundgau-Bodensee-Schranke” bezeichnet. Grenzbildend hat hier in erster Linie die k-Verschiebung sowie die Entrundung gewirkt (s.o., Punkte III.1.e und c). Eine weitere Grenzlinie ist durch die Erweichung von mhd. b entstanden: Im Oberrheinalemannischen wurde b zwischen Vokalen und nach l zu w (heewe ‘heben’, bliiwe ‘bleiben’, KälwllKälwle ‘Kälblein’, halwer ‘halb’), während im Südalemannischen das b erhalten blieb.
Die neuhochdeutsche Vokaldehnung, die binnendeutsche Konsonantenschwächung (s.o., Punkte III.1.a und d) sowie die Kürzung der Langvokale vor ch gegenüber erhaltener Länge in Wörtern wie ‘leicht’ (licht vs. liicht/liacht) und ‘brauchen’ (brüche/bruche vs. brüüche/bruuche) bilden ebenfalls einen Nord-Süd-Gegensatz. Diese und weitere Unterschiede sind nachfolgend gegenübergestellt:
Die neuhochdeutsche Vokaldehnung, die binnendeutsche Konsonantenschwächung (s.o., Punkte III.1.a und d) sowie die Kürzung der Langvokale vor ch gegenüber erhaltener Länge in Wörtern wie ‘leicht’ (licht vs. liicht/liacht) und ‘brauchen’ (brüche/bruche vs. brüüche/bruuche) bilden ebenfalls einen Nord-Süd-Gegensatz. Diese und weitere Unterschiede sind nachfolgend gegenübergestellt:
Oberrheinalemannisch | Südalemannisch |
Lautgrenzen: | |
‘Kind, kalt’: | |
Kind, kalt | Chind, chalt |
‘Hütte, böse, Freude, müde’: | |
Hidd, bees, Freid/Fraid, mied | Hütte, böös, Fröid, müed |
‘heben, bleiben’: | |
heewe, bliiwe | heebe, bliibe |
Ladd(e), Vadder | Latte, Vatter |
Wortgrenzen: | |
‘horchen’: | |
horchen | losen |
‘Korn’: | |
Korn | Roggen |
‘schieben’: | |
schalten | schürgen |
‘bekommen’: | |
kriegen | überkommen |
‘Quark’: | |
Bibbiliskäse | Zieger |
‘Butter’: | |
Butter | Anken |
Bodenseealemannisch-schwäbische Gegensätze
Die Abgrenzungsmerkmale des Schwäbischen vom Bodenseealemannischen decken sich teilweise mit denen, die das Schwäbische vom Oberrheinalemannischen trennen, wie die nhd. Diphthongierung (vgl. oben Punkt III.1.b), die Diphthongierung der alten Mittelzungenvokale ê, oe, ô (z.B. in ‘Schnee, böse, groß’) und die Senkung von i, u vor Nasal zu e, o (z.B. in ‘Finger, Hund’):
Bodenseealemannisch | Schwäbisch |
Lautgrenzen: | |
‘Weib, Häuser, Maus’: | |
Wiib, Hiiser, Muus | Weib, Heiser, Mous |
‘Schnee, böse, groß’: | |
Schnee, bees, groos | Schnai, bais, graus |
‘Finger, Hund’: | |
Finger, Hund | Fenger, Hond |
‘gehen, stehen’: | |
goo/gong, stoo/stong | gou, stou |
‘Sau’: | |
Suu | Sou |
Wortgrenzen: | |
‘ausleihen’: | |
leihen | lehnen |
‘schieben’: | |
schalten | schieben |
Südalemannisch-höchstalemannische Gegensätze
Die süd- und höchstalemannischen Mundarten unterscheiden sich in erster Linie durch die nur im Höchstalemannischen vollständig eingetretene Zweite Lautverschiebung (vgl. oben, Punkt 1.e):
Südalemannisch | Höchstalemannisch |
Lautgrenzen: | |
‘trinken, Gestank, Bank’: | |
trinkche, G’stankch, Bankch | triiche/treiche, G’staach/G’stouch, Baach/Booch/Bouch |
weitere Grenzen: | |
‘Garn, Horn’: | |
Garn, Horn | Gaare, Hoore |
‘schneien, bauen’: | |
schneie, boue | schniie, buue |
‘Rücken’: | |
Rügge, Rugge | Rigg |
‘Patenonkel’: | |
Götti | Getti |
Wortgrenzen: | |
‘Kopf’: | |
Kopf | Haupt |
‘Wange’: | |
Backen | Wang |
‘Holzsplitter im Finger’: | |
Spriisse(l), Spiisse | Schine |
‘schnarchen’: | |
schnarcheln | ru(u)sse, ru(u)ze |
Es gibt Höchstalemannismen, die nur im Wallis nachgewiesen sind. Einige dieser Sprachrelikte werden in der folgenden Übersicht den nördlich angrenzenden Entsprechungen gegenübergestellt:
auf das Wallis beschränkte Höchstalemannismen | nördlich angrenzende Lautungen/Wörter |
Lautgrenzen: | |
‘schneiden, heften, salben’: | |
schniidu, heftu, salbu | schniide, hefte, salbe |
‘Hase, Hasen’: | |
Hassu,-o/Hasse | Hass/Hassen |
‘Rädlein, Tröglein’: | |
Radji, Trogji | Rädli, Trögli |
Wortgrenzen: | |
‘Schienbein’: | |
Schei(ch)e, Schiiche | Schienbein |
‘Kinn’(mit Graubünden): | |
Kienbein, Kiini, | Küüni, Kifel |
‘Bein’: | |
Tschaaku | Bein |
‘Schorf, Kruste’: | |
Biibi, Pätsch, Seeri | Biibi, Pätsch, Seeri |
‘Mumps’: | |
Mops | Ohrenmückeli, Mumpf u.a. |
Schnupfen’: | |
Niiffe, -a, -u | Schnuuder, Knüüsel, Pfnüüsel |
2. West-Ost-Gegensätze innerhalb des Alemannischen
Im nördlich des Hochrheins gelegenen Teil des Alemannischen ist ein Sprachgrenzenbündel entstanden, das von Friedrich Maurer, wiederum nach dem geographischem Verlauf, als “Schwarzwaldschranke” bezeichnet wurde. Diese verläuft etwas östlich des Schwarzwaldkammes in nord-südlicher Richtung und setzt sich in abgeschwächter Form in der Schweiz fort. Das nördliche Teilstück der Schwarzwaldschranke trennt das Oberrheinalemannische vom Schwäbischen, der südliche Abschnitt das Oberrheinalemannische vom Bodenseealemannischen.
Die Entstehung dieser außergewöhnlich starken Sprachgrenze ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Zum einen wurden die Gebiete rechts und links des Schwarzwaldes getrennt besiedelt. Im unwegsamen Schwarzwald erfolgte die Landnahme erst spät und allmählich aus den Landstrichen um Neckar und Rhein. Auch nach der Besiedlungszeit bildete das Gebirge eine starke Verkehrs- und Kommunikationsschranke, die dazu führte, daß der Schwarzwaldkamm zur politischen Grenze wurde zwischen Württemberg auf der einen und der Markgrafschaft Baden, Vorderösterreich und Straßburg auf der anderen Seite. Mit der Reformation in Württemberg entstand hier zusätzlich eine Konfessionsgrenze.
All diese Faktoren begünstigten eine getrennte sprachliche Entwicklung im Oberrheinischen und Schwäbischen. Aus der Vielzahl der an der Schwarzwaldschranke aufeinandertreffenden dialektalen Gegensätze werden nachfolgend wiederum nur die wichtigsten angeführt:
Die Entstehung dieser außergewöhnlich starken Sprachgrenze ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Zum einen wurden die Gebiete rechts und links des Schwarzwaldes getrennt besiedelt. Im unwegsamen Schwarzwald erfolgte die Landnahme erst spät und allmählich aus den Landstrichen um Neckar und Rhein. Auch nach der Besiedlungszeit bildete das Gebirge eine starke Verkehrs- und Kommunikationsschranke, die dazu führte, daß der Schwarzwaldkamm zur politischen Grenze wurde zwischen Württemberg auf der einen und der Markgrafschaft Baden, Vorderösterreich und Straßburg auf der anderen Seite. Mit der Reformation in Württemberg entstand hier zusätzlich eine Konfessionsgrenze.
All diese Faktoren begünstigten eine getrennte sprachliche Entwicklung im Oberrheinischen und Schwäbischen. Aus der Vielzahl der an der Schwarzwaldschranke aufeinandertreffenden dialektalen Gegensätze werden nachfolgend wiederum nur die wichtigsten angeführt:
Oberrheinalemannisch | Schwäbisch |
Lautgrenzen | |
‘Weib, Häuser, Maus’: | |
Wiib, Hiiser, Muus | Weib, Heiser, Mous |
‘Schnee, böse, groß’: | |
Schnee, bees, groos | Schnai, bais, graus |
‘breit, Leiter’: | |
braid, Laider | broat, Loater |
Wortgrenzen: | |
‘Kleider’: | |
Kleider | Hääß |
‘Schurz’: | |
Fürtuch | Schurz |
‘einhenkliger Korb’: | |
Korb | Kratten |
'zweihenkliger Korb’: | |
Zaine | Schide |
‘Reisigbündel’: | |
Reiswelle | Reisbüschel |
‘Tannenzapfen’: | |
Tannenzapfen | Mockel |
‘Großmutter, Großvater’: | |
Großili/Großmutter, Großvater | Ahne, Ähne |
Oberrheinalemannisch | Bodenseealemannisch |
Lautgrenzen: | |
‘weiß, feucht, saufen’: | |
wiis, fiichd, suufe | weiss, feicht, soufe |
‘breit, Leiter’: | |
braid, Laider | broat, Loater |
‘Weg, leben, Leder’: | |
Wääg, lääbe, Lääder | Wäag, läabe, Läader |
Wortgrenzen: | |
‘ärmellose Anzugsweste’: | |
Schile | Leiblein |
‘Schurz’: | |
Fürtuch | Schurz |
‘Türklinke’: | |
Falle | Schnalle |
‘Marmelade’: | |
Guts, Gutsele, (Beeren-)Mus | Eingemachtes, Gesälz |
‘Kopfkissen’: | |
Pfulgen | Pfulben |
‘Sommersprossen’: | |
Laubflecken | (Märzen-)Riselen, Märzenkegel |
Südlich des Bodensees ist, wenn auch nur auf einer kurzen Strecke, eine Grenze zwischen dem Süd- und Bodenseealemannischen entstanden, an der sich ebenfalls westliche und östliche Dialektformen gegenüberstehen. Sie verläuft dem Rhein entlang und damit parallel zur Landesgrenze zwischen der Schweiz und Vorarlberg. Hier lassen sich die folgenden laut - und wortgeographischen Unterschiede feststellen:
Südalemannisch | Bodenseealemannisch |
Lautgrenzen: | |
‘Ärmel’: | |
Äärmel, Iarmel | Üarmel |
‘Arbeit’: | |
Äärbet | Arbet, Aarbet |
‘Speck, Wetter, kneten’: | |
Späck, Wätter, knätte | Späack, Wäatter, knäatte |
‘Steg, Besen, Feld’: | |
Stääg, Bääse, Fääld | Stäag, Bäase, Fäald |
‘melken’: | |
mäleche | mäalche |
Wagen, Faden’: | |
Wagge, Fadde | Waage, Faade |
Nur auf dem nördlichen Grenzabschnitt stehen sich gegenüber:
Südalemannisch | Bodenseealemannisch |
Lautgrenzen | |
'Nacht’: | |
Nacht | Naacht, Naat |
‘Sinn’: | |
Sii | Sin(d) |
Wortgrenzen: | |
‘Tüte’: | |
(Papier-)Sack | Scharmützel, Schalmutz |
'Kehrschaufel an langem Stiel’: | |
Schaufel | Trucke |
‘Preiselbeere’: | |
Fuchsbeere | Preiselbeere |
‘Marmelade’: | |
Honig | Eingesottenes, Latweri |
‘einjähriges weibliches Rind’: | |
Galtling | Jährling |
Fazit:
Die Gliederung des Alemannischen, wie sie in diesem Beitrag dargestellt wurde, ist aus dem Zusammenwirken von mehreren Faktoren entstanden, wozu sprachlicher Einfluß aus dem Norden, Veränderungen in Lautungen, Grammatik und Wortschatz vom Spätmittelalter bis heute sowie sprachlicher Konservatismus im Süden zu zählen sind. Schwäbisch, Oberrhein-, Bodensee-, Süd- und Höchstalemannisch sind Bezeichnungen für Sprachlandschaften, die durch gemeinsame alemannische Eigenheiten verbunden sind, daneben aber auch eigene, für die jeweilige Teilmundart typische Merkmale entwickelt haben.